Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

"Müssen alle Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen haben?"

Umsetzung Gefährdungsbeurteilung

Seit 2013 sind Unternehmen zur Erhebung psychischer Gefährdungsfaktoren  im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung explizit gesetzlich verpflichtet (siehe u.a. Arbeitsschutzgesetz § 4 und § 5). Ein genauerer Blick in frühere Versionen des Arbeitsschutzgesetztes macht jedoch schnell deutlich: die gesundheitsförderliche und menschengerechte Gestaltung von Arbeit ist seit der Gründerstunde von Arbeits- und Gesundheitsschutzeinrichtungen (u.a. der Berufsgenossenschaften im Jahre 1885) eine zentrale unternehmerische Aufgabe. Und nicht nur das. Durch die regelmäßige Betrachtung, wie Beschäftigte ihre Arbeit und betriebliche Abläufe erleben, erhalten Sie wertvolles Wissen über die Funktionalität von Prozessen und Abläufen in Ihrem Unternehmen und können bei Schwierigkeiten rechtzeitig gegensteuern.

 

"Geht es um psychische Probleme und psychische Krankheiten? Bei uns sind alle gesund!"

Bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen geht es um die Bewertung von Arbeitsmerkmalen und Tätigkeiten. Diese werden in der DIN 10-0-75 auch als psychische Belastungen beschrieben. Dieser Begriff verwirrt viele. Für uns Arbeitspsychologen ist es ein ganz normaler Begriff: psychische Belastung = Arbeitsmerkmale. Es geht also nicht um das Feststellen von Krankheiten oder psychischen Problemen - es geht um die Betrachtung, ob die Arbeit gesundheitsförderlich gestaltet ist. Um das festzustellen, gibt es eine Reihe Methoden und Kriterien. Die DIN EN. ISO 9241 beschreibt zum Beispiel eine Auswahl davon.

Die gesetzliche Forderung zur Erhebung des Ausmaßes psychischer Belastungen in der Arbeit ist Ihre Chance! Sie erhalten wichtige Erkenntnisse über Ihr Unternehmen: Wie wird Arbeit wahrgenommen? Wie greifen Aufbau- und Ablaufprozesse ineinander? Was sind die "heißen Eisen", die für negative Stimmung sorgen? Welche Risikobereiche und Entwicklungsmöglichkeiten gibt es? Ziel der Gefährdungsbeurteilung ist die Analyse, Bewertung und - in Folge - gesunde Gestaltung von Arbeit. Werden im Rahmen einer regelmäßigen Analyse Risiken erkennbar, lassen sich frühzeitig gestaltende Maßnahmen ergreifen und negative Folgen für Gesundheit, drohenden Arbeitsunfälle durch Überlastung und damit auch Produktivitätseinbrüche vermeiden. Damit ist die Gefährdungsbeurteilung ein Instrument zur Steuerung von Aktivitäten der Arbeitssicherheit und gleichzeitig zur gesunden Organisationsentwicklung.

"Wie aufwendig ist so eine Gefährdungsbeurteilung?"

Der Umfang und damit einhergehende Zeit- und Ressourcenaufwendungen richten sich nach der Anzahl der Tätigkeiten in Ihrem Unternehmen. Daraus leitet sich auch die Wahl der Erhebungsmethode ab. Nicht immer ist ein Fragebogen nötig und sinnvoll. Manchmal können auch Workshops, Arbeitsplatzbeobachtungen oder eine systematische Beratung mit den Beschäftigten das Mittel der Wahl sein. Wir beraten Sie gerne bei der Auswahl der Methode, die am Besten zu Ihrem Unternehmen passt.

 

"Braucht es einen externen Berater und wer kann bei der Umsetzung unterstützen?"

Sie können und sollen die Gefährdungsbeurteilung natürlich auch aus eigenen Ressourcen im Unternehmen stemmen können. Das hinzuziehen eines externen Beraters macht Sinn wenn (1) Sie die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen das erste Mal in Angriff nehmen wollen, (2) Sie nur geringe Ressourcen zum Umsetzung zur Verfügung haben, (3) Sie bereits mit der Umsetzung begonnen haben nun aber unsicher sind, ob das Vorgehen das Richtige war bzw. der Prozess ins Stocken geraten ist. 

Eine beratende Unterstützung erhalten Sie von Ihrem Unfallversicherungsträger und natürlich von uns. Vereinbaren Sie gerne ein erstes Beratungsgespräch mit einem unserer Experten.

 

"Gibt es Richtlinien und Empfehlungen zur Umsetzung?"

Lange herrschte große Unsicherheit, welchen Anforderungen die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen genügen sollte. Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) beschreibt auf ihren Internetseiten der  "GDA-Psyche" Mindestinhalte und methodische Voraussetzung, die Sie bei der Umsetzung beachten sollten. 

 

Warum ein Blick dort hinein sinnvoll ist?  Die Gefährdungsbeurteilung geht mit einigem Aufwand einher - es wäre schade, wenn dieser aufgrund von Instrumenten mit geringer Qualität zu falschen oder unvollständigen Ergebnissen führt und/ oder im Falle einer Prüfung durch eine staatliche Aufsichtsbehörde die Qualitätsanforderungen nicht genügend erfüllt werden können.

Bildung eines Steuerkreises und Dokumentenanalyse Festlegung von Tätigkeiten und Bereichen Ermittlung der psychischen Belastung und Ressourcen Beurteilung der psychischen Belastungen und Ressourcen Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen Wirksamkeitskontrolle Aktualisierung / Fortschreibung Dokumentation
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Bildung eines Steuerkreises und Dokumentenanalyse

Zu Beginn der Gefährdungsbeurteilung (GBU) psychischer Belastungen steht die Bildung eines Steuerkreises mit Akteuren aus dem betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes (Arbeitgeber-, Arbeitnehmervertretung, Fachkraft Arbeitssicherheit/Sicherheitsbeauftragter, Schwerbehindertenvertretung, Betriebsarzt, Gleichstellungsbeauftragter. Ein Auftakt kann im Rahmen der ASA-Sitzung stattfinden. 

Im Rahmen einer Dokumentenanalyse kann sich ein erster Überblick über Kennzahlen sowie vorangegangene Projekten und Maßnahmen, die auf das Thema GBU einzahlen, verschafft werden.

Festlegung von Tätigkeiten und Bereichen

Die GBU psychischer Belastungen erfolgt tätigkeitsbezogen. Hierzu müssen Tätigkeiten und Auswertungseinheiten im Vorfeld definiert werden, die beurteilt werden sollen.

Dabei können Tätigkeiten/Auswertungseinheiten, die in Bezug auf ihre psychischen Belastungen gleichartig sind, zu einer Einheit zusammengefasst werden.

 

 

Ermittlung der psychischen Belastung und Ressourcen

Für die Ermittlung psychischer Belastungen und Ressourcen gilt es im nächsten Schritt, ein geeignetes Instrument auszuwählen. Je nach betrieblichen Bedingungen können folgende Instrumentengruppen in Frage kommen:

  • Arbeitsplatzbeobachtung
  • Befragung
  • Interviewmethoden
  • Workshops

Das ausgewählte Verfahren sollte den Qualitätsanforderungen der GDA (Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie) entsprechen.

Beurteilung der psychischen Belastungen und Ressourcen

Mit der Beurteilung der psychischen Belastungen und Ressourcen wird eingeschätzt, ob Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes erforderlich sind. Grundsätzlich sollte die Beurteilung fachlich begründet und nachvollziehbar sein und einer Priorisierung unterliegen. Ein Ampelprinzip bietet sich hier an.

Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen

Auf Grundlage der Ergebnisse werden nach der Beurteilung arbeits- und gesundheitsschutzbezogene Maßnahmen abgeleitet.

Die abzuleitenden Maßnahmen sollten sowohl aus den Bereichen der verhältnis- als auch verhaltensbezogenen Intervention stammen und dem TOP-Prinzip (Technik - Organisation - Person) folgen.

 

 

Wirksamkeitskontrolle

Der §3 des ArbSchG formuliert die Wirksamkeitskontrolle getroffener Maßnahmen als Pflicht des Arbeitgebers.

Hierzu muss beurteilt werden, ob sich die psychische Belastungssituation durch die umgesetzten Maßnahmen verbessert hat oder nicht. Falls nicht, ist eine Nachsteuerung erforderlich. 

 

Methoden zur Wirksamkeitskontrolle können wieder sein:

  • Arbeitsplatzbeobachtungen
  • Befragungen / Interviews 
  • Workshops

Aktualisierung / Fortschreibung

Es ist zu empfehlen, die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Eine Aktualisierung ist angezeigt, wenn sich die der GBU zugrunde liegenden Gegebenheiten ändern (Veränderung der Arbeitsbedingungen, Re-Strukturierungen, auffällige Kennzahlen, neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse oder Arbeitsschutzvorschriften).

Dokumentation

Der gesamte Prozess der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist zu dokumentieren (§6 ArbSchG).

Die Dokumentation sollte mindestens enthalten:

  • Beurteilung der Gefährdungen
  • Festgelegte Maßnahmen, inkl. Termin und Verantwortlicher
  • Durchführungsstatus der Maßnahmen
  • Wirksamkeitsprüfung
  • Datum der Erstellung